Wie erleben unsere Einrichtungs-Partner die Krise? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? An was fehlt es? Und wie verändert sich ihr Angebot?
Sophie Schwartz steht im engen Kontakt mit Wohn- und Pflegeeinrichtungen für schwerstmehrfachbehinderte Menschen und dokumentiert hier ihre Gespräche und Einblicke für Euch. Heute hat sie Anja Boutbel von der Bärenfamilie GmbH befragt.
PJeV: Wie betrifft Sie die aktuelle Situation?
Anja Boutbel: Die Corona Pandemie ist für uns alle eine sehr große Herausforderung. Dennoch war die Bärenfamilie gut vorbereitet. Wir waren immer einen Schritt schneller als die Politik und so konnten wir mit Bedacht auf die jeweilige neue Situation reagieren.
Ein großer Einschnitt sind natürlich die kompletten Besuchsverbote, die wegfallenden Gruppenangebote und Ausflüge, das was uns einfach ausmacht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr bemüht, in den Einrichtungen diesen Einschnitt durch Alternativprogramme aufzufangen.
Was sind Ihre größten Herausforderungen?
Anja Boutbel: Eine der größten Herausforderungen ist es, das Team der Bärenfamilie jederzeit umfassend zu informieren und immer auf den jeweils aktuellen Stand der derzeitigen Bestimmungen zu bringen. Wir alle müssen auf ständig wechselnde Anforderungen reagieren. Teamsitzungen und Fortbildungen müssen pausieren und alternative Wege wurden gefunden, um die Mitarbeiter trotzdem auf dem Laufenden zu halten und gerade in diesen Zeiten Ansprechpartner zu sein und Sicherheit zu geben. Zudem ist leider weiterhin eine unserer größten Herausforderung ausreichend Schutzausrüstung zu organisieren.
Wie hat sich Ihr Angebot während der Krise verändert?
Anja Boutbel: Es ist uns wichtig, dass wir auch in der Krise die gleiche Versorgungsqualität wie vorher leisten können und dies können wir weiterhin anbieten. Unsere Kapazitäten sind unverändert. Kommt es zu einer neuen Aufnahme wird 14 Tage Isolation in einem Einzelzimmer eingehalten. Für die Kinder gibt es nur noch Einzelangebote, keine Schule, keine Therapien, keine Ehrenamtlichen, keine Elternbesuche. Das alles muss nun vom Team vor Ort kompensiert werden. Und das machen sie großartig!
Gibt es in Ihrer Einrichtung noch freie Kapazitäten?
Anja Boutbel: Ja in Heppenheim 4 Plätze, in Darmstadt 2 Plätze und ambulant eine 8-10h Versorgung.
Was würden Sie sich an konkreter Unterstützung wünschen?
Anja Boutbel: Wir würden uns wünschen, dass die Anliegen unseres Nischenklientels von der Politik wahrgenommen und ernstgenommen werden. Dazu gehört, dass wir bei der Finanzierung der ärztlichen Versorgung unterstützt werden und bei der Finanzierung der ambulanten Intensivpflege mit Augenmaß geurteilt wird. Aktuell wäre eine bedarfsgerechte Verteilung der Schutzausrüstung dringend von Nöten, um die Hochrisikopatienten und vor allem auch unsere Mitarbeiter zu schützen.
Die Zuteilung sollte transparent, zeitnah und fair erfolgen. In diesem Zusammenhang gilt der Dank unserer Muttergesellschaft Opseo, die uns jederzeit bei der Versorgung von Schutzausrüstung unterstützt hat, so dass wir, wenn auch knapp, bisher immer vollumfänglich ausgerüstet waren. Zwischenzeitlich haben uns auch Desinfektionsmittelspenden der Stadt Heppenheim und von BASF, sowie Mundschutzspenden der Stadt Darmstadt und vom Jugendamt Darmstadt erreicht, um das Problem abzumildern.
Wir wünschen uns außerdem, dass unser Angebot auch bei den Eltern bekannter gemacht wird, damit mehr Eltern überhaupt auf dieses Unterstützungsangebot zugreifen können. Immer wieder erreichen uns völlig überraschte Anrufe, die noch nie was von stationärer Kinderintensivpflege, teilweise auch von ambulanter Kinderintensivpflege gehört haben. Das muss sich ändern. Hier ist Aufklärung von Nöten. Wir versuchen bereits mit allen Kräften, uns in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, z.B. letztens waren wir bei Rhein_Main_TV. Deshalb freuen wir uns sehr, dass durch den Philip Julius e.V. nun unsere wichtige Arbeit ein weitere Plattform erhält. Vielen Dank dafür.
Interviewpartner: Anja Boutbel, Geschäftsführerin
Einrichtung /Träger: Bärenfamilie GmbH
Art der Einrichtung: Kurzzeit- und vollstationäre Pflege, ambulante Dienste
Einrichtungsplätze: Darmstadt 17, Heppenheim 16
Freie Kapazitäten: Darmstadt 2, Heppenheim 4