„Man bekommt so unendlich viel zurück“
Sophie Schwartz plant und leitet die Atempause. Sie erklärt, warum es sich lohnt, in einen Urlaub zu investieren, wie Erholung für alle gelingen kann und warum es unglaublich glücklich macht, eine Mission wie diese zu haben.
Liebe Sophie, Du leitest das Projekt Atempause. Was hat Dich an der diesjährigen Atempause besonders beeindruckt?
Besonders beeindruckt hat mich, dass man täglich an den Gesichtern ablesen konnte, wie Anspannung und Stress, Entspannung und Erholung wichen.
Philip Julius e. V. finanziert sich hauptsächlich durch Spenden – und Reisen mit schwerstbehinderten Kindern ist sehr kostspielig. Warum investiert der Verein trotzdem in einen Urlaub?
Urlaub mit einem schwerstbehinderten Kind ist kein Urlaub, wie wir das kennen… Mit einem schwerstbehinderten Kind zu verreisen bedeutet erstmal Recherche nach einem geeigneten Ort (barrierefrei? behindertengerecht? Pflegebett?). Wenn das Kind im Alltag von einem Pflegedienst versorgt wird oder in einem Internat untergebracht ist, so sind im Urlaub die Eltern wieder komplett für die Pflege zuständig, für eigene Entspannung bzw. für Zeit als Paar ist da kaum Zeit.
„Nichts ist so wichtig wie die Erholung, damit man für den kräftezehrenden Alltag wieder Kraft tanken kann.“
Bei der Atempause liegt die Planung komplett beim Philip Julius-Team und wir können individuell auf die Bedürfnisse der verschiedenen Familienmitglieder eingehen, sodass jeder zu seiner verdienten Atempause kommt. Nichts ist so wichtig wie die Erholung, damit man für den kräftezehrenden Alltag wieder Kraft tanken kann.
Welche Belastungen bringen die Familien mit auf die Reise?
Das sind ganz unterschiedliche Belastungen, alle Familien haben jedoch eine gemeinsame Schnittmenge: wie alle Eltern, wollen auch Eltern von schwerbehinderten Kindern nur das Beste für ihre Familie und dass jedes Kind seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert und gefordert wird. Es ist schwierig, diese oft sehr verschiedenen Bedürfnisse von schwerstbehinderten Kindern und gesunden Geschwisterkindern unter einen Hut zu bekommen. Hier ist der Austausch unter den Familien so wohltuend. Man tauscht Erfahrungen und Tipps aus, denn man kennt die Situation des anderen.
„Uns alle verbindet die Erfahrung, wie schön und vor allem wie einfach es ist, Zeit zu schenken“
Wie kann es auch den Eltern und Geschwisterkindern gelingen, einmal durchzuatmen?
Wir haben für alle ein individuelles Programm zusammengestellt. So hat jedes Familienmitglied die Möglichkeit einmal für eine gewisse Zeit nur an sich und seine eigenen Bedürfnisse zu denken. Die behinderten Kinder werden von unserem Team betreut. Mal machen wir einen Ausflug, mal bieten wir ein Programm am Hof. Die Geschwisterkinder haben ebenfalls ein Programm, begleitet von einer pädagogischen Fachkraft werden verschiedene Aktionen angeboten, man kann aber auch in der geschützten Gruppe über seinen Alltag als Geschwisterkind reden und was einen belastet. Die Eltern können die freie Zeit individuell nutzen. Einfach mal die Zweisamkeit genießen oder – wie in diesem Jahr – sich bei einer Massage verwöhnen lassen.
Das Team besteht vor allem aus Ehrenamtlichen. Was verbindet sie und Euch?
Uns alle verbindet die Erfahrung, wie schön und vor allem wie einfach es ist, Zeit zu schenken und damit helfen und unterstützen zu können. Für uns ist es keine große Investition, man bekommt aber so unendlich viel zurück und das macht glücklich.
Welchen Herausforderungen begegnet man auf einer solchen Freizeit ganz konkret?
Wir sind so gut vorbereitet, dass es bisher keine großen Herausforderungen gab.
Vielleicht schwingt bei unserer Freizeit ganz besonders die Hoffnung mit, dass alle gesundheitlich stabil bleiben, damit wirklich jeder von der Erholung profitieren kann.
Für medizinische Notfälle sind wir gewappnet. Bei der Zusammenstellung unseres Teams, achten wir immer darauf, dass möglichst eine Person eine medizinische Fachkraft (MedizinerIn/PflegerIn) ist. Außerdem haben wir natürlich eine Liste mit Ansprechpartnern von allen umliegenden Kliniken/Fachärzten, die bei Notfällen erreichbar sind.
„Allein der Gedanke an die Atempause wirkt noch positiv nach und lässt mich lächeln“
Gibt es einen Moment der diesjährigen „Atempause“, den Du noch lange in Erinnerung behalten wirst?
Wenn ich zurückdenke, dann gibt es ganz viele wunderbare Momente. Dann sehe ich viele fröhliche Gesichter vor mir, blauen Himmel, den Chiemsee, den Sonnenschein (dieses Jahr hatten wir viel davon), höre das Lachen der Eltern und der Kinder und nicht zuletzt spüre ich, wie allein der Gedanke an die Atempause noch positiv nachwirkt und mich lächeln lässt.
Du hast es Dir beruflich zur Aufgabe gemacht, Familien mit einem schwerstbehinderten Kind zu unterstützen. Warum bei Philip Julius e. V.?
Nichts ist schöner, als eine Mission zu haben, die gleichsam Herzensangelegenheit ist, nämlich Familien zu stärken und Momente des Glücks zu schaffen. Es ist eine sehr erfüllende Aufgabe, die unglaublich vielseitig ist und Freude bereitet. Bei Philip Julius gibt es keine Hierarchien, sondern ein großartiges, verlässliches Team!