Orientierung und praktische Hilfe für Familie
Das Persönliche Budget ermöglicht Familien mit Kindern mit Behinderung ein hohes Maß an Selbstbestimmung: Statt Sachleistungen – etwa Assistenzdienste oder Pflegedienste – erhalten sie den Geldwert dieser Leistungen direkt und können die Unterstützung selbst organisieren.
Dieser Artikel fasst die wichtigsten Grundlagen aus unserem Infoabend mit Laura Mench zusammen und bietet Eltern einen verständlichen Überblick über Antragstellung, Kostenkalkulation, Umsetzung und mögliche Herausforderungen.
Was ist das Persönliche Budget?
Das Persönliche Budget ist eine Leistungsform, keine eigenständige Leistung. Leistungen, die normalerweise als Sachleistung erbracht werden, können stattdessen als Geldleistung ausgezahlt werden – damit Familien ihre Unterstützung individuell organisieren können.
Nicht budgetfähig:
- Verhinderungspflege
- Entlastungsbetrag
Hinweis: unter nicht budgetfähigen Leistungen verstehen sich Leistungen, welche nicht als persönliches Budget ausgezahlt werden dürfen oder können. Diese Leistungen können auch nicht auf andere Leistungen, die im persönlichen Budget erbracht werden angerechnet. Zum Beispiel kann in ein persönliches Budget für persönliche Assistenz die Verhinderungspflege nicht mit eingerechnet werden und auch nicht davon abgezogen werden.
Typische Leistungen im Persönlichen Budget:
- Persönliche Assistenz im Alltag, in Schule, Freizeit und Beruf
- Elternassistenz
- Assistenz in der außerklinischen Intensivpflege (AKI)
- Hilfsmittel mit komplexen Zuständigkeiten (z. B. Elektrorollstuhl mit Sondermodulen)
- Seltene Ausnahme: Therapien, wenn keine geeignete Praxis verfügbar ist
Das Persönliche Budget schafft Flexibilität und Selbstbestimmung – gleichzeitig erfordert es eine strukturierte Organisation.
Wer kann das Persönliche Budget erhalten?
Grundsätzlich kann das Persönliche Budget in jedem Alter beantragt werden – für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Hinweis: wer ein persönliches Budget unter Einbeziehung der Eingliederungshilfe nach Überschreitung der Regelaltersgrenze beantragt, muss nach dem sogenannten Lebenslagen Modell mit strengen Einkommens und Vermögensgrenzen umgehen.
Mögliche Kostenträger:
- Krankenkassen
- Pflegekassen
- Eingliederungshilfe / Sozialamt
- Jugendamt
- Agentur für Arbeit / Integrationsamt
- Renten- oder Unfallversicherung
Nicht möglich: Private Krankenversicherungen, da dort keine budgetfähigen Leistungen vorgesehen sind. Im Rahmen von Einzelfallentscheidungen sind jedoch budgetähnliche Umsetzungsform möglich.
Je nach Bedarf kann ein Persönliches Budget von einem Kostenträger oder als trägerübergreifendes Budget mit mehreren Kostenträgern bereitgestellt werden.
Persönliches Budget & Pflegegeld – wie hängt das zusammen?
Wenn über das Persönliche Budget Pflegeleistungen finanziert werden, gilt:
- Pflegegeld ist eine vorrangige Leistung und muss grundsätzlich in das Budget eingebracht werden.
- Familien haben weiterhin Anspruch auf mindestens ein Drittel Ersatzpflegegeld – oft auch mehr (abhängig vom Einzelfall).
Wichtig:
- Enthält das Budget keine Grundpflege (z. B. nur Beatmungsleistungen), bleibt das Pflegegeld vollständig bei der Familie.
- Rentenpunkte für pflegende Angehörige können in bestimmten Konstellationen erhalten bleiben.
- Zeiten außerhalb des Budgets können ein weiteres Argument dafür sein, Pflegegeld nicht vollständig einzubringen.
Wie stellt man einen Antrag auf Persönliches Budget?
Der Antrag kann formlos gestellt werden – entscheidend ist der Inhalt.
Der Antrag sollte folgende Informationen enthalten:
- Welche Unterstützung wird benötigt?
- Für welche Tätigkeiten? → möglichst detailliert (Pflege, Mobilität, Kommunikation, Teilhabe, Freizeit, Schule …)
- Wie viel Zeit/Stunden werden benötigt?
- Wie soll die Leistung organisiert werden? (Arbeitgebermodell oder Dienstleister)
- Erste Kostenkalkulation oder Kostenvoranschlag
Nach Antragstellung:
- prüft der angesprochene Kostenträger die Zuständigkeit,
- lädt ggf. weitere Träger ein,
- und organisiert eine Teilhabekonferenz.
Die Kostenkalkulation – das Herzstück der Budgetverhandlung
Die Kalkulation bildet die Grundlage der Budgetbewilligung. Sie muss den tatsächlichen Unterstützungsbedarf vollständig abbilden.
Bestandteile einer Kostenkalkulation:
- Stundenlöhne inkl. Arbeitgeberanteile
- Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge
- Versicherungen (Unfallversicherung, Haftpflicht etc.)
- Lohnabrechnung / Budgetassistenz
- Räumliche Voraussetzungen (z. B. Assistenzzimmer)
- Arbeitsschutz & Verbrauchsmaterial
- Personalersatz für Urlaub und Krankheit
- Doppelbesetzungen, wenn erforderlich
Wichtig:
Die Kalkulation sollte realistisch und großzügig sein, damit Kürzungen durch den Kostenträger nicht die Versorgung gefährden.
Vom Bedarf zur Bewilligung – Teilhabeplan, Zielvereinbarung & Bescheid
Nach Antrag und Kalkulation folgen mehrere Schritte:
- Gutachten, z. B. durch den Medizinischen Dienst bei Intensivpflege nur bei AKI
- Bedarfsermittlung mithilfe des jeweiligen Teilhabeplaninstruments
- Teilhabeplangespräch mit allen beteiligten Trägern
- Zielvereinbarung – der bindende Vertrag zwischen Familie und Kostenträger
- Bewilligungsbescheid
Die Zielvereinbarung legt fest:
- Umfang und Zweck des Budgets
- erlaubte und ausgeschlossene Leistungen
- Nachweis- und Dokumentationspflichten
Da ein aktuelles Urteil Widersprüche nach Unterschrift erschwert, sollte die Zielvereinbarung immer vor Unterschrift sorgfältig geprüft werden.
Widerspruch einlegen – wenn etwas nicht passt
Ein Widerspruch ist notwendig, wenn:
- der Antrag abgelehnt wird,
- das Budget zu niedrig angesetzt wurde,
- oder die Zielvereinbarung unzutreffende Vorgaben enthält.
Wichtig für Eltern:
- Alles schriftlich einreichen – Telefongespräche sind nicht nachweisbar.
- Kommunikation dokumentieren.
- Bei komplexen Fällen frühzeitig juristische Beratung in Anspruch nehmen.
- Bei erfolgreichem Widerspruch müssen auch Anwaltskosten übernommen werden.
Arbeitgebermodell oder Dienstleistungsmodell?
Arbeitgebermodell
Die Familie stellt Assistenzkräfte selbst an.
Vorteile:
- höchste Selbstbestimmung
- flexible Dienstplanung
- oft kostengünstiger
Herausforderungen:
- Personalverantwortung (Arbeitsrecht, Lohnabrechnung, Dienstpläne)
- Organisationsaufwand
- Verantwortung bleibt vollständig bei der Familie
Dienstleistungsmodell
Ein Assistenzdienst stellt das Personal und rechnet direkt ab.
Vorteile:
- sehr geringer Verwaltungsaufwand
- keine Arbeitgeberpflichten
Herausforderungen:
- weniger Mitbestimmung bei Personal und Einsatzplanung
- teilweise eingeschränkte Personalverfügbarkeit
- meist höhere Kosten
Kombinationen beider Modelle sind möglich und oft praktikabel.
Welche Nachweise müssen Familien erbringen?
Viele Kostenträger verlangen regelmäßige Nachweise, zum Beispiel:
- Rechnungen
- Lohnabrechnungen
- Stundenlisten
- Dienstpläne
- Dokumentationen (insbesondere bei Intensivpflege)
Für die Verwaltung wird meist ein separates Budgetkonto gefordert.
Das Einhalten aller Vorgaben der Zielvereinbarung ist entscheidend, um das Budget langfristig zu sichern.
Wo finden Eltern Unterstützung?
Da das Persönliche Budget komplex ist und nicht jede Beratungsstelle tiefgehendes Wissen besitzt, ist qualifizierte Unterstützung besonders wertvoll.
Grundlagenberatung
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
- bietet erste Orientierung im Teilhaberecht
- hilfreich für grundlegende Fragen
- Hinweis: die Beratungstiefe zum Persönlichen Budget unterscheidet sich je nach Standort – daher sollten Informationen bei Bedarf geprüft werden
Spezialisierte Beratung & Budgetassistenz
Diese Stellen verfügen über umfassende Erfahrung mit persönlichen Budgets und unterstützen bei Antrag, Kalkulation, Zielvereinbarung und Umsetzung:
- Aktiv und Selbstbestimmt e. V.
(Hauptarbeitsstelle von Laura Mench; bundesweite Beratung zu Assistenz, Persönlichem Budget und komplexen Bedarfen) - Ostsee-Intensivpflege
(Budgetbegleitung insbesondere im Bereich außerklinische Intensivpflege) - Sozialkomplizen
(Budgetassistenz für verschiedene Leistungsarten, auch im Arbeitgebermodell)
Weitere hilfreiche Unterstützung
- Rechtsberatung im Sozialrecht, z. B. bei Widersprüchen oder Klageverfahren
- Austausch mit anderen Familien, die bereits ein Persönliches Budget nutzen – oft besonders wertvoll für Praxisfragen
Fazit – Selbstbestimmung braucht gute Vorbereitung
Das Persönliche Budget eröffnet Familien neue Möglichkeiten, Unterstützung flexibel und individuell zu organisieren. Gleichzeitig ist der Weg dorthin komplex und erfordert gute Vorbereitung, eine nachvollziehbare Kostenkalkulation und eine sorgfältige Prüfung der Zielvereinbarung.
Mit fundierten Informationen und der richtigen Unterstützung können Familien das Persönliche Budget erfolgreich nutzen – für mehr Teilhabe, Entlastung und Selbstbestimmung im Alltag.

