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Philip Julius

#derletzteirrsinn: Stephan und der Gehtraininer

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#derletzteirrsinn: Stephan und der Gehtraininer

Unter der neuen Rubrik #derletzteirrsinn sammeln wir wahrhaft irrsinnige Geschichten aus dem Alltag von Familien mit schwerstbehinderten Kindern.

Heute sendet uns Bianca, Pflegemutter von Stephan (27), ein offenes Schreiben an ihre Krankenkasse und schildert dort die Historie der Beantragung eines Gehtrainers für Stephan.

Sehr geehrtes #IKKBB Team,

gerne hätte ich Ihnen diesen Text auf Ihre Pinnwand gesetzt, doch ist diese Funktion nicht freigegeben. Sie werden sicherlich Ihre Gründe haben oder vielleicht habe ich es nur einfach nicht gefunden. Da wir der Meinung sind, dass die Öffentlichkeit erfahren sollte wie Sie mit Ihren Kunden umgehen, nutzen wir doch einfach diese Plattform. 

Vor einiger Zeit beantragten wir für unseren 27 jährigen schwerstmehrfach behinderten Pflegesohn den Gehtrainer MyWay bei Ihrer Krankenkassen. 
Ziemlich zeitnah erhielten wir die Kostenübernahme für einen Gehtrainer aus der Poolversorgung Ihrer Krankenkasse. Unser Sanitätshaus lehnte diese Versorgung mit einer entsprechenden Begründung ab und so wurde eine andere Firma beauftragt. 

Es ist mir bewusst, dass im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebot gehandelt werden muss. Diese Wirtschaftlichkeit sollte aber nicht nur zu Gunsten der IKK bestehen, sondern auch für das entsprechende Sanitätshaus und den Kunden. Leider sehen Sie das anders und so bekamen wir einen Anruf aus Suhl für eine Versorgung in Cottbus. Die Mitarbeiterin teilte mir mit, dass dort ein Auftrag der IKK für einen Gehtrainer der Größe 1 eingegangen ist. Daraufhin erklärte ich ihr, dass die Größe 1 für Stephan viel zu klein ist und wir diese Erprobung mit dem Pacer nicht machen brauchen. Sie notierte es sich und leitete es an die Niederlassung Berlin weiter von der ich sehr zeitnah den nächsten Anruf erhalten habe. Ich führte ein fast identisches Gespräch und teilte erneut die wichtige Information mit, dass Stephan fast 27 Jahre ist und die Größe 1 nicht passen dürfte. Der Mitarbeiter lehnte die Versorgung mit dem Pacer der Größe 1 bei Ihnen ab und erhielt kurzerhand später einen neuen Auftrag über genau das selbe Hilfsmittel in der selben Größe. Ein Anruf mit uns war nicht nötig gewesen, denn innerhalb einiger Tage ist Stephan nicht geschrumpft und so lehnte er auch den zweiten Auftrag mit der gleichen Begründung ab. Scheinbar glaubten Sie dem Sanitätshaus nicht und so erging ein erneuter Auftrag mit dem Vermerk „Erprobung gewünscht“. Poolversorgung ist bei Ihnen wohl das oberste Gesetz! 

Das gestrige Telefonat mit dem Sanitätshaus ließ mich nur den Kopf schütteln, denn die Logik hinter dieser Erprobung erschließt sich mir einfach nicht. Doch wir wollen wirtschaftlich handeln und unterstützen somit Ihre Arbeit. Das Sanitätshaus kam heute von Berlin nach Cottbus in unsere Häuslichkeit mit dem Pacer der Größe 1. Dem Mitarbeiter war es sichtlich peinlich gewesen und er scheute sich das Hilfsmittel aus seinem Auto zu holen. Doch, da Sie nun unbedingt Stephan in diesem Gehtrainer die Erprobung machen lassen wollten, gaben wir unser bestes. Leider war es uns nicht möglich Stephan größentechnisch dem Pacer anzupassen. Aus Sicherheitsgründen haben wir uns geweigert Stephan in diesen Gehtrainer zu stellen, denn der Pacer Größe 1 ist für Kinder bis 6 Jahre mit einem zugelassenen Gewicht von max. 34kg (Stephan wiegt über 40kg) und einer Schritthöhe von 40 cm (Stephans beträgt 60cm). Obwohl es sichtbar gewesen ist das dieses Gerät nicht passt, haben wir uns die Zeit genommen und Stephan dennoch eingemessen. Egal wie wir gemessen haben, es ist uns nicht möglich gewesen ein nur annährendes Maß für diese Versorgung zu ermitteln. Die einzige Möglichkeit wäre, Stephan auf dem Boden zu setzen und den Gehtrainer über ihn zu positionieren. Aus Sicherheitsgründen lehnen wir natürlich auch das ab. Laut Datenblatt der Firma Schuchmann benötigt Stephan in einer Neuversorgung den Pacer in der Größe 4! Wahnsinn, es besteht ein Unterschied von „nur“ 3 Größen.

Würden Sie Ihrer Arbeit gewissenhaft nachgehen, dann wäre Ihnen nicht entfallen, dass Stephans Hilfsmittel in den letzten Jahren immer größer wurden. Ich gehe auch davon aus, dass Sie diese Daten aus seiner Kundendatei erlesen können und die Größenangaben der jeweiligen Hilfsmittel finden Sie in den entsprechenden Datenblättern. 

Wie lächerlich und sinnlos diese „Erprobung“ gewesen ist können Sie aus den beigefügten Bildern entnehmen. Was Sie mit dieses Szenario bezwecken wollen, lässt sich nicht nachvollziehen. In unseren Augen geht es darum, zu demonstrieren wer am längeren Hebel sitzt und Zeit zu ziehen, denn vielleicht geben die Eltern endlich Ruhe. Doch nicht mit uns, wir kämpfen für Stephan um jedes kleine Stück Lebensqualität. 

Was wir in dieser Antragsphase bisher erleben durften lässt sich nicht in Worte fassen. Es wäre wünschenswert, wenn die Sacharbeiter entsprechende spezifische Kenntnisse zu den jeweiligen Hilfsmitteln haben und dem Elternhaus, sowie Sanitätshäusern zuhören und vor allem glauben. Die fachliche Kompetenz der Sachbearbeiterin stelle ich nach dieser gewünschten „Erprobung“ sehr infrage. 

Eine Mail an die Sacharbeiterin, den Vorstand der IKK und die beauftragte Aufsichtsbehörde ging heute raus. Nun, sind wir gespannt wie dieser Irrsinn weitergeht. ENDE

Wie es weiter ging: Marco Hessler, Geschäftsführer von VIDA Global und langjähriger Partner von Philip Julius, sah dieses Schreiben auf Facebook und versorge die Familie kurzfristig mit einem passenden MyWay. Er trat damit auf eigenes Risiko in Vorleistung um eine angemessene Versorgung sicher zu stellen.

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