„Taras Geburt verlief ganz normal und komplikationslos. Auch das erste halbe Jahr war völlig alltäglich und alle U-Untersuchungen waren absolut unauffällig. Dann bemerkte ich, dass sie eigenartige Bewegungen macht… Tara entwickelte eine sehr schwere Form der Epilepsie. Und ich fragte mich: Warum Tara… Warum wir?“
Die Rubrik „Erzähl doch mal…!“ erscheint monatlich auf unserer Seite und stellt jeweils eine Familie mit einem schwer behinderter Kind vor. Hier werden ihre Geschichten erzählt und Wünsche und Ziele geteilt, die alle in erster Linie eines tun sollen, nämlich Mut machen.
PJeV: Wie sieht Deine Familie aus?
Michaela: Zu unserer 4-köpfigen Familie gehören mein Mann Bernd, unser 17-jähriger Sohn Ben, unserer 13-jährige Tochter Tara und ich, Michaela.
Wann und wie hast Du von der Behinderung Deines Kindes erfahren?
Taras Geburt verlief ganz normal und komplikationslos. Auch das erste halbe Jahr war völlig alltäglich und alle U-Untersuchungen waren absolut unauffällig. Dann bemerkte ich, dass sie eigenartige Bewegungen macht.
Daraufhin hat mein Mann im Internet recherchiert und ist schnell auf das BNS (Blitz-Nick-Salaam) oder Westsyndrom (eine schwere Epilepsie) gestoßen. Wir nahmen umgehend mit der Uniklinik Gießen Kontakt auf und dort wurde uns nach diversen Untersuchungen unser Verdacht bestätigt.
Inwiefern ist Dein Kind beeinträchtigt und wie gehst Du damit um?
Taras starke Epilepsie hat keine normale Entwicklung zugelassen. Tara spricht nicht und ihr Entwicklungsstand ist heute ungefähr auf dem Stand eines dreijährigen Kindes. Die Epilepsie und der frühkindliche Autismus haben unsere ganze Welt ins Wanken gebracht.
Die Zeit unmittelbar nachdem wir plötzlich die Diagnose erhalten hatten, war geprägt von den Fragen: Warum Tara? Warum wir? Was ist der Grund? Was war der Auslöser?
Taras Kinderärztin hat zu dieser Zeit mal ganz passend gesagt: „Das ist die Zeit, in der man um sein gesundes Kind trauert.“ Mir hat dieser Satz sehr geholfen! Er beinhaltet für mich den ganzen Prozess, den man durchlebt. Gerade anfangs sind da diese unglaubliche Ratlosigkeit, Trauer, Ungewissheit und sehr, sehr viele Fragen nach dem Wie? und Warum?
Mittlerweile kann ich mit Taras Behinderung offen umgehen – es ist wie es ist. Ich liebe meine beiden Kinder so wie sie sind, und mache das Beste draus.
Wer betreut Dein Kind? Wie habt Ihr die Pflege organisiert?
Tara wächst bei uns zu Hause in der Familie auf. Sie wird von uns betreut und gepflegt. Wie ihr großer Bruder besucht sie vormittags die Schule (Tara geht auf die Frida-Kahlo-Schule in Bruchköbel) und kommt am Nachmittag zurück nach Hause.
Bist Du berufstätig? Und wie sieht Dein Alltag aus?
Ich bin selbstständige Handelsvertreterin und kann mir meine Zeit meistens gut und flexibel einrichten. Mein Mann ist in einer Festanstellung und konnte sich mit seinem Arbeitgeber darauf einigen, dass er jeden Freitag frei hat. Das ist für uns eine große Entlastung und schafft zusätzlichen Freiraum.
Trotzdem ist unser Leben immer wie eine Achterbahnfahrt. Nimmt Taras Epilepsie zu, wirft das unsere ursprüngliche Tagesplanung über den Haufen. Dann heißt es wieder Arzttermine wahrnehmen und die aufsteigenden Ängste im Zaum halten. Manche Tage laufen wie geplant und für unsere Verhältnisse „normal“. Manchmal fällt jedoch das ganze Konstrukt zusammen und man muss entsprechend flexibel sein und sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Das klappt mal besser und mal schlechter.
Welche Momente sind im Alltag schwer? Und was macht Dich hingegen glücklich?
Wie gerade beschrieben, wird der Alltag schwer, wenn Taras Epilepsie wieder überhandnimmt.
Herausfordernd sind auch immer wieder die Momente, in denen man sich mit verständnislosen Mitmenschen auseinandersetzen muss – Ob das die vielsagende Blicke oder pures Unverständnis sind, ob es völlig fremde Menschen sind oder Personen, die man lange kennt. Inzwischen stelle ich mich diesen Situationen und versuche so viel wie möglich aufzuklären und es freut mich, wenn es gelingt.
Auch versuche ich meinen gesunden Sohn nicht aus dem Fokus zu verlieren. Er hat genauso ein Recht auf die Zuwendung seiner Eltern oder auf Freizeit außerhalb unserer Familie.
Es sind viele Kleinigkeiten, die mich glücklich machen, z.B. wenn Ben begeistert von seiner ersten Fahrstunde berichtet oder wenn Tara etwas Neues gelernt hat. Und manchmal ist es einfach ein Kuss oder ein Drücken.
Woraus schöpfst Du die Kraft, Deinen Alltag zu meistern?
Ich schöpfe viel Kraft durch meinen Mann und aus der gemeinsamen Zeit, die wir uns füreinander nehmen.
Was bedeutet Urlaub für Euch und wo habt Ihr Euren schönsten Urlaub verlebt?
Urlaub ist ein wichtiges Thema für uns. Wir suchen uns immer freistehende Häuser, wo wir niemanden stören.
Für mich war das schönste Erlebnis, als wird das erste Mal auf einem Biobauernhof auf Korsika waren. Bei unserem ersten Telefonat, haben wir angekündigt, dass Tara aufgrund ihrer Beeinträchtigung etwas laut sein kann und bekamen daraufhin die Antwort des Besitzers: „Wenn dass jemanden der anderen Gäste stört, dann kann er abreisen“. Im Nachhinein haben wir erfahren, dass sie selbst ein Kind mit Epilepsie hatten, dass leider verstorben ist. Wir haben dort mehrere Jahre unbeschwerte Urlaube verbracht. Man kam einfach bei Freunden an.
Welche Wünsche und Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Für die spätere Zukunft wünschen wir uns, dass wir für Tara ein schönes zu Hause finden werden, in dem sie gut aufgehoben ist.
Für Ben wünschen wir uns, dass er einfach nur glücklich in seinem Leben ist.
Und für uns wünschen wir uns Zweisamkeit, die wir gesund in einem kleinen Wohnmobil verbringen und noch etwas die Welt erkunden können.
Wie hat sich Deine Perspektive aufs Leben durch Dein besonderes Kind verändert?
Der Plan, den wir für unser Leben hatten, musste durch Taras Krankheit neu geschrieben werden. Es ist gut, dass man nicht weiß was kommt. Heute versuche ich jeden Tag so zu nehmen wie er kommt und mich an Kleinigkeiten zu erfreuen.
Du hast Interesse, Deine Geschichte mit uns zu teilen? Dann freuen wir uns auf Deine Kontaktaufnahme unter info@philip-julius.de.