Wenn Kinder krank sind, stehen Eltern vor besonderen Herausforderungen, ist die Krankheit schwer, vielleicht sogar unheilbar, kann sie schnell zur Belastungsprobe für die ganze Familie werden. Umso wertvoller sind dann kleine Momente des Glücks. In diesem Wissen haben sich unter dem Namen „Tapfere Knirpse“ rund 370 Fotografinnen und Fotografen in ganz Deutschland zusammengeschlossen. Sie wollen Familien, die eine schwere Zeit durchmachen, eine besondere Freude machen, indem sie ihnen ein professionelles Fotoshooting schenken.
„Wir möchten Mut machen und Gelegenheiten schaffen, in denen neue Kraft gesammelt werden kann. Bilder können so wichtig sein, wenn man später gemeinsam zurückblickt auf eine unglaublich schwere Zeit, die man gemeinsam gemeistert hat, aus der man als bärenstarkes Team hervor gegangen ist. Wenn der Kampf verloren wird, helfen berührende Erinnerungsbilder Trost zu finden“, erklärt der Vorsitzende des Vereins „Tapfere Knirpse“, Günter Jagodzinska. Die Fotografen kommen nach Vereinbarung zu den Kindern nach Hause, ins Krankenhaus, zum Lieblingsplatz des Kindes oder einfach dahin, wo es für die Familie am günstigsten ist. Sie nehmen sich viel Zeit und gehen auf die Wünsche der Eltern und der Kinder ein.
„Die Fotografen kommen nach Vereinbarung zu den Kindern nach Hause, ins Krankenhaus, zum Lieblingsplatz des Kindes oder einfach dahin, wo es für die Familie am günstigsten ist. Sie nehmen sich viel Zeit und gehen auf die Wünsche der Eltern und der Kinder ein.“
Jagodzinska, selbst Text- und Bildjournalist und freier Pressemitarbeiter, engagiert sich seit langem ehrenamtlich für schwerkranke Kinder. Immer wieder hörte er von Familien, wie schwer es für Betroffene sei, schöne Aufnahmen von ihren Kindern zu bekommen. „Der Weg in ein professionelles Atelier ist oft nicht nur weit sondern auch aufwändig“, so Jagodzinska, „und vielen Fotografen mangele es nach Auskunft der betroffenen Eltern bei derart besonderen Situationen an Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl.“ So gründete er gemeinsam mit einigen Gleichgesinnten kurzerhand einen Verein. Dass die Resonanz so positiv ausfallen und der Verein so rasch wachsen würde, hätte er damals bei weitem nicht erwartet. Bereits über 1000 Anfragen hat der Verein seit seiner Gründung im Mai 2013 erhalten. 835 davon wurden positiv beschieden.
So auch die Anfrage von Susi und Robin Bönecke. Ihr Sohn Paul (fast 5) kam als Frühchen zur Welt; drei Wochen nach der Entbindung wurde bei ihm eine Hirnschädigung festgestellt, ein halbes Jahr später dann das Lennox-Gastaut-Syndrom, eine seltene und besonders schwer zu behandelnde Form der Epilepsie, diagnostiziert. Hinzu kommt noch eine Tetraspastik auf Grund seiner Hirnverletzung. Paul kann weder sitzen, noch stehen noch sich selbständig fortbewegen. Jedoch ist er ein fröhliches Kind und macht das Beste aus seiner Erkrankung.
Im August 2015 war es dann endlich soweit. Die Familie Bönecke wurde an den Fotografen Hans-Peter Schwarzenbach aus Hof vermittelt. Dieser traf die Familie auf dem Gelände der ehemaligen LPG, welches auch einigen alten und neuen Traktoren eine Heimatstätte bietet. Nach anfänglicher Schüchternheit war Paul im siebten Himmel, denn er interessiert sich begeistert für Traktoren und einmal selbst hinter dem Steuer eines so großen Fahrzeuges sitzen zu dürfen, brachte seine Kinderaugen zum Leuchten.
Hans-Peter Schwarzenbach genoss diese Stunden mit der Familie Bönecke sehr. „Es hat mich sehr beeindruckt, diesen kleinen Kerl kennen zu lernen, der gerade einmal seinen Kopf und die Arme ein bisschen bewegen kann, der nicht sprechen kann, aber dennoch so unheimlich präsent ist. Bei solch einem Kind glaubt man, man kann die Gedanken lesen. “
Auf die Frage hin, warum er sich im Netzwerk der Tapferen Knirpse engagiere, erzählt Schwarzenbach aus seiner eigenen Familiengeschichte. Als seine Tochter in der dritten Klasse war, erkrankte sie plötzlich sehr schwer. Die Familie wurde von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik geschickt, doch eine Ursache für die ständige Übelkeit des Mädchens und den daraus resultierenden besorgniserregenden Gewichtsverlust konnte über ein Jahr lang niemand feststellen. Man vermutete psychische Ursachen, unterstellte Magersucht. Erst bei einem Aufenthalt in einer Kur bemerkten die dortigen Ärzte eine Schwerhörigkeit des Mädchens und untersuchten diese genauer. Es stellte sich heraus, dass die Gehörschnecke zu wenig Wasser hatte, dem Kind deshalb permanent schwindelig und als Folge auch ständig übel war. Mit dieser Diagnose konnte endlich eine sinnvolle Therapie begonnen werden und sogar das Gehör konnte nach gut eineinhalb Jahren fast vollständige wiederhergestellt werden.
Bei ihren zahllosen Krankenhausaufenthalten traf die Familie Schwarzenbach allerdings auch auf Eltern, deren Kinder weit schwerwiegendere Diagnosen erhielten und nicht wieder geheilt werden konnten. Sie trafen auf Kinder, die sehr schwer krank oder sehr schwer behindert waren und dennoch tapfer von Tag zu Tag, von einer kleinen Freude zur nächsten lebten. Die in Wartezimmern oder Fluren geteilten Schicksale berührten Hans-Peter Schwarzenbach sehr und riefen in ihm den Wunsch wach, selbst etwas zu tun, damit es Familien mit behinderten oder kranken Kindern ein wenig besser ginge.
Bei seinen Recherchen nach Möglichkeiten, sich zu engagieren, stieß er auf die Seite der Tapferen Knirpse und nahm Kontakt auf. „Der Rest ist dann Geschichte“, lacht er.
„Die Fotografen, die sich bei uns ehrenamtlich engagieren möchten, werden natürlich zuerst überprüft, bevor wir sie aufnehmen. Wir wollen schließlich sicherstellen, dass die Familien qualitativ hochwertige Arbeiten bekommen und nicht enttäuscht werden, den da stecken natürlich hohe Erwartungen drin.“, erläutert Günter Jagodzinska auf die Frage hin, wie die Fotografen ausgewählt würden. Ein Aufnahmeteam bescheidet über jeden Antrag und überprüft, ob der Fotograf bereits ausreichend Erfahrung in der Fotografie von Menschen, idealerweise Kindern gesammelt hat. „Wenn jemand beispielsweise bislang nur Landschaften oder Gebäude fotografiert hat, dann fragen wir da schon nach.“ In Großstädten und Ballungsräumen ist das Netz der Tapfere-Knirpse-Fotografen bereits eng geflochten, in ländlichen Gebieten werden aber nach wie vor weitere Mitglieder gesucht.
Auch die Familien, die sich für ein Shooting interessieren, müssen sich bewerben. Dies geschieht über ein Kontaktformular auf der Homepage der Tapferen Knirpse. Die Eltern geben ihre persönlichen Daten an, schildern kurz ihre Situation und die Diagnose des Kindes. Jede Anfrage wird individuell geprüft, eine mit medizinischen Fachkräften besetzte Diagnosekommission unterstützt bei der Beurteilung der Einzelfälle. Das Ziel sei es, so Jagodzinska, möglichst viele Anträge positiv zu bescheiden. Grundsätzlich abgelehnt würden jedoch Feste und Feiern sowie Sammel-Anträge von Organisationen. Als Begründung führt er an: „Dabei würden wir den Familien nicht mehr die nötige Hinwendung bieten können. Zudem möchten wir nicht als Konkurrenz in einem Hauptbetätigugsfeld von Berufsfotografen auftreten, die ansonsten immerhin unsere Kollegen sind.“
Interessenten, sowohl Familien als auch Fotografen, können sich unter www.tapfere-knirpse.de umfassend informieren.