Wie erleben unsere Einrichtungs-Partner die Krise? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? An was fehlt es? Und wie verändert sich ihr Angebot?
Sophie Schwartz steht im engen Kontakt mit Wohn- und Pflegeeinrichtungen für schwertmehrfachbehinderte Menschen und dokumentiert hier ihre Gespräche und Einblicke für Euch.
PJeV: Wie betrifft Sie die aktuelle Situation?
Andreas Beck: Corona hat viele eingespielte Abläufe in den Wohnstätten durcheinander gewirbelt. Da z.B. keine Bewohner*innen tagsüber mehr in die Werkstätten und Tagesförderstätten gehen, leisten unsere Mitarbeiter*innen erhebliche Überstunden, um ein gutes, abwechslungsreiches Programm zu entwickeln.
Was sind Ihre größten Herausforderungen?
Das ist der Umgang mit so vielen Unsicherheiten, Sorgen und sich ständig ändernden Rahmenbedingungen. Keiner weiß, was morgen oder in einer Woche oder in einem Monat sein wird. Das belastet uns alle. Außerdem ist die Beschaffung von Schutzausrüstung sehr zeit- und kostenaufwändig. Wir wollen Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen so gut wie möglich schützen, aber haben es mit einem Markt zu tun, in dem Lieferausfälle, Wild-West-Methoden und horrende Wucherpreise zur Normalität geworden sind.
Wie hat sich Ihr Angebot während der Krise verändert?
Wie an anderen Stellen auch, versuchen wir die sozialen Kontakte auf das unverzichtbare Minimum zu reduzieren. Das bedeutet u.a., dass wir streng gruppenbezogen arbeiten, tagsüber den Wegfall der Werkstatt-/TaFö-Besuche kompensieren und z.B. keine Besuche von Angehörigen mehr möglich sind. Im Unterstützten Wohnen werden die Fachleistungen auch an die Lage angepasst vermehrt telefonisch erbracht. Das ist für alle Beteiligten eine große Belastung. Wir versuchen, die familiären Kontakte mit Video-Telefonie aufrecht zu erhalten, das klappt zum Glück ganz gut.
Gibt es in Ihrer Einrichtung noch freie Kapazitäten?
Derzeit können regelhafte Aufnahmen für Dauerplätze oder Kurzzeitpflege nicht stattfinden. Nach der Krise werden wir uns den Menschen auf unseren Wartelisten wieder zuwenden und vor allem am Standort Gedern wieder aufnehmen.
Was würden Sie sich an konkreter Unterstützung wünschen?
Wir bekommen unheimlich viel Unterstützung von den Mitarbeiter*innen, deren Familien und von vielen, die sich der Lebenshilfe verbunden fühlen. Zum Beispiel haben wir viele Sachspenden in Form von selbstgefertigten Mund-Nasen-Schutz erhalten. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken!
Wir arbeiten notwendigerweise mit vielen Institutionen, Behörden und Organisationen zusammen. An den meisten Stellen funktioniert das schon seit Jahren sehr gut und dies hilft uns nun auch im Krisenmodus. Da, wo es noch keinen echten Dialog, keine gemeinsame Lösungsfindung gibt, wünschen wir uns, dass dies sich bald einspielt. Es hilft angesichts knapper Ressourcen ja schließlich allen…
Jetzt und nach der Krise benötigen wir die Unterstützung der Öffentlichkeit, um von der Politik gute Arbeitsbedingungen in den Sozialen und Gesundheitsberufen zu erlangen. Arbeitsminister Heil hat kürzlich sinngemäß gesagt: „Leistungsträger sind nicht immer die mit dem Schlips.“ Da hat er sowas von Recht! Jetzt ist dafür einzutreten, dass dieser einsetzenden Erkenntnis auch spürbare, anhaltende Verbesserungen folgen.
Interviewpartner: Andreas Beck, Bereichsleiter Wohnen
Einrichtung/Träger: Lebenshilfe Wetterau gGmbH
Art der Einrichtung: Wohnstätten, Unterstütztes Wohnen, Kurzzeitpflege
Einrichtungsplätze: 41 dauerhafte Wohnplätze, 5 Kurzzeitplätze
Freie Kapazitäten: derzeit leider keine Aufnahme möglich