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Philip Julius

„Erzähl doch mal …. Sabine!“

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Nils ist ein aufgeweckter kleiner Junge, der die Welt entdecken möchte. Im Alter von knapp zwei Jahren fällt er ein den Gartenteich eines Freundes der Familie. Nils überlebt wie durch ein Wunder, doch der Unfall bleibt nicht ohne Folgen: Nils ist heute fast 10 Jahre alt und im Wachkoma.
Die Rubrik „Erzähl doch mal…!“ erscheint monatlich auf unserer Homepage und stellt jeweils eine Familie mit einem besonderen Kind vor. Hier werden individuelle Geschichten erzählt und Wünsche und Ziele geteilt, die alle in erster Linie eines tun sollen, nämlich Mut machen.
Wie sieht Deine Familie aus?
Unsere Familie besteht aus mir, Sabine (41), Papa André (42), unserem Sohn Nils (9), seiner Schwester Jana (6) und unserem Kater Mau (4).

Nils © Familie Höger

Wann und wie hast Du von der Behinderung Deines Kindes erfahren?
Nils hatte im Alter von 22 Monaten einen Beinahe-Ertrinkungs-Unfall im Teich eines befreundeten Kollegen. Fünf Tage lang war ungewiss, ob Nils überleben wird. Das waren die schlimmsten fünf Tage unseres Lebens.
Durch ein Hirnödem kam es nach drei Tagen zu einer massiven Hirnschädigung. Als die Ärzte Nils aus dem künstlichen Koma erwachen lassen wollten, gelang dies nicht. Nils ist seitdem im Wachkoma.
Inwiefern ist Dein Kind beeinträchtigt und wie gehst Du damit um?
Nils hat eine therapieresistente Epilepsie mit bis zu 60 Anfällen pro Tag. An guten Tagen sind es auch mal nur drei Anfälle. Außerdem hat unser Sohn eine Tetraparese, Tetraspastik, Spitzfüsse, eine starke Skoliose, viele Allergien und Unverträglichkeiten, Sauerstoffbedarf nachts und manchmal auch tagsüber und noch unzählige weitere Baustellen. Er kann aktiv nichts selbst, alles muss assistiert werden.
Genau das ist für mich aber Nils. So ist er eben. Ich gehe mit ihm ganz normal um, nur dass er deutlich aufwändiger und anstrengender zu versorgen ist als ein Kind ohne Handicap.

Jana und Mau © Familie Höger

Habt Ihr noch weitere Kinder? Wie kommen sie mit der besonderen Familiensituation zurecht?
Nils kleinere Schwester Jana ist jetzt sechs Jahre alt. Meistens kommt sie mit unserer Situation gut zurecht. Sie ist es von Anfang an so gewohnt, kennt es nicht anders. Sie ist allerdings sehr selbstständig für ihr Alter. Und das muss sie leider auch sein.
Wir haben von Anfang an darauf geachtet, dass wir spezielle Zeiten nur für Jana reservieren. Oft möchte sie das aber garnicht nutzen. Ihr ist es lieber, wenn alle gemeinsam etwas unternehmen.
Nur ganz selten ist sie genervt, weil Dinge mit und durch Nils oftmals etwas länger dauern. Aber das steht ihr dann auch zu.
Wie sieht Dein Alltag aus?
Mein Alltag beginnt spätestens um 6 Uhr, ausser am Wochenende, da darf ich noch bis 7.30 Uhr liegen bleiben.
Nach dem Frühstück werden die Kinder gerichtet, Nils gewaschen, angezogen und in den Therapiestuhl gesetzt. Jana macht morgens bis auf das Haare kämmen alles selbst. Das anschliessende Frühstück dauert zwischen 30 und 60 Minuten, je nach Tagesform von Nils. Wenn er einen schlechten Tag hat und häufig krampft, dann dauert es deutlich länger und wir kommen ins rotieren.
Um 8 Uhr verlassen wir alle gemeinsam das Haus. Zuerst fahren wir Jana in den 2 km entfernten Kindergarten, dann fahre ich weiter, um Nils in die 40 km entfernte Schule zu bringen.
Um 12.15 Uhr kommt Jana mit dem Bus aus dem Kindergarten zurück und um 12.45 Uhr kommt Nils mit dem Fahrdienst aus der Schule.
Nach dem Mittagessen macht Nils Pause und Jana hat ihre Spielzeit mit mir.
Unser Nachmittagsprogramm ist sehr abwechslungsreich. Donnerstags fahren wir zur Reittherapie ins 50 Km entfernte Reittherapiezentrum, wo Nils mit seiner Schulklasse reiten geht. Montags und freitags hat Nils Physiotherapie. Mittwoch Nachmittag kommt die Logopädin zum Hausbesuch.
Um 18 Uhr ist Abendessenszeit und danach Kinderzeit bis 20 Uhr. Dann kommt der Nachtpflegedienst zur Übergabe. Bis die Kinder wirklich bettfertig, das Gutenacht-Lied und die Geschichte absolviert sind, ist es meist 21 Uhr und dann wartet noch die Hausarbeit auf mich.

Nils © Familie Höger

Was macht Dich im Alltag glücklich? Und welche Momente sind hingegen besonders schwer?
Glücklich macht mich, wenn meine Kinder gesund und zufrieden sind und wir gemeinsame Zeit als Familie verbringen können.
Schwer ist, viel Zeit im Alltag alleine bewältigen zu müssen. Das ist ein grosser Kraftaufwand, sowohl körperlich als auch psychisch. Ich muss Nils oft heben, vom Bett in den Rolli, vom Rolli in den Therapiestuhl und wieder zurück ins Bett. Das ist enorm kräftezehrend. Er ist eben kein Baby mehr, sondern ein fast zehnjähriges Kind.
Besonders schwierig und schmerzhaft ist es, wenn Nils krank wird, wir um sein Leben bangen müssen, weil ein hartnäckiger Infekt ihn bis an seine äusserste Grenze bringt. Die Situation hatten wir schon öfter und ich jedes Mal zittern und hoffen wir aufs neue. Dann steht unsere Welt komplett still.
Schwer sind auch die unendlichen Kämpfe mit den Kassen und den Ämtern. Das ist ebenfalls sehr kräftezehrend, besonders, weil man genau diese Energie eigentlich für die Bewältigung des Alltags bräuchte.
Wer betreut Dein Kind? Wie habt Ihr die Pflege organisiert?
Nils lebt zuhause, wo er unserer Meinung nach auch hin gehört. Zu gesunden Zeiten geht Nils vier Tage die Woche vormittags zur Schule, nachts zwischen 20 Uhr und 8 Uhr haben wir einen Pflegedienst zur Unterstützung. Ansonsten pflege ich unseren Sohn.
Was machst Du beruflich? Und wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
Für Beruf bleibt durch die vielen Fahrzeiten und die häufigen Krankheitsphasen von Nils leider aktuell keine Zeit, auch wenn ich meinen Beruf oft vermisse. Ich bin gelernte Erzieherin.
Was bedeutet Urlaub für Euch?
Urlaub ist für uns die schönste Zeit des Jahres, auch wenn es einen enormen Aufwand für uns bedeutet.
Wir geniessen die gemeinsame Zeit sehr und freuen uns, zusammen die Welt zu entdecken. Als Nils noch ein ganz kleines Kind war, da haben wir ihm versprochen, ihm die Welt zu zeigen. Nur weil er nun behindert ist, hören wir nicht damit auf.
Mit unserem Wohnwagen sind wir unabhängig und Nils hat sein Pflegebett immer dabei. So gehen wir auf Erkundungsreisen.

Nils © Familie Höger

Wenn Ihr als Familie gemeinsam Urlaub macht, wie plant Ihr?
Gemeinsamer Urlaub ist toll. Planen lässt sich Urlaub aber bei uns nur schwer. Meist entscheiden wir uns für ein Ziel, bei dem idealerweise eine Klinik in der Nähe ist, wo es auch deutschsprachige Ärzte gibt. Das ist schon mal die halbe Miete.
Dann sammeln wir, was wir erleben möchten und entscheiden jedoch vor Ort spontan und je nach Tagesform, was wann unternommen wird.
Geplant und durchorganisiert wird der Urlaubs lediglich deshalb, weil wir genügend Medikamente dabei haben müssen, welche rechtzeitig bestellt werden sollten.
Gepackt wird frühestens drei Tage vor Urlaubsantritt. Alles andere wird zu chaotisch. Da wir am liebsten mit dem Wohnwagen verreisen, ist das auch kein Problem. Kleidung, Medikamente, Spielsachen einpacken und schon geht es los.
Welche Wünsche und Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Wir wollen Nils noch so lange wie möglich bei uns haben, zusammen das Leben geniessen und die Welt entdecken. Viel mehr planen wir nicht, sondern lassen uns vom Leben überraschen.
Sie haben Interesse, Ihre Geschichte mit uns zu teilen? Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme unter info@philip-julius.de. 

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