Liebe Philip-Julius Leser,
“Gib jedem Tag die Chance der Schönste deines Lebens zu werden“,
kommt Ihnen dieser Spruch bekannt vor?
In fast jedem Supermarkt oder Möbelhaus läuft einem mittlerweile dieser Satz über den Weg. Auf Tassen, Frühstücksbrettchen oder auf einem Klodeckeln. Ja, richtig. Auf einem Klodeckel! Dort habe ich ihn letzte Woche zufällig entdeckt. Ich konnte diesem Spruch noch nie wirklich viel abgewinnen. Ein wenig zu rosig. Ein wenig zu positiv für meinen Geschmack.
Ich renne durch das Leben. Hetze von Termin zu Termin. Versuche Deadlines und Fristen einzuhalten, die Kindergartentasche richtig zu packen. Arzttermine und Therapien zu koordinieren. Meine Arbeit einigermaßen gut zu machen. Gegen 20 Uhr realisiere ich langsam, dass der Tag schon wieder fast zu Ende ist, ohne dass ich ihn wirklich gespürt – gelebt – habe. Bevor ich ins Bett gehe, frage ich mich manchmal:
„War das ein schöner Tag?“
„Vielleicht sogar der schönste Tag meines Lebens?“
Bevor ich diese Fragen beantworten kann, bin ich meistens schon eingeschlafen.
Vor ein paar Wochen wurde mein „Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier“-Kreislauf unfreiwillig unterbrochen und ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Konnte mich nicht mehr durch Termine und Fristen ablenken. Auf einmal hatte ich Zeit. Sehr viel Zeit. Am Anfang ein wenig zu viel für meinen Geschmack. So emotional anstrengend diese Momente auch waren, ist mir doch etwas sehr wichtiges bewusst geworden:
Wie wertvoll, einzigartig und kostbar das Leben ist. Wie dankbar ich für mein Leben bin und wie sehr ich an meinem Leben hänge.
Jeden Morgen stehe ich – ganz selbstverständlich – auf und bin manchmal schon direkt nach dem Aufstehen genervt, möchte mich am liebsten gleich wieder hinlegen. Den Kopf in den Sand oder in meinem Falle in das Kopfkissen stecken. Doch was für ein großes Geschenk es ist, am Morgen aufstehen und den Tag überhaupt erleben zu dürfen, rückt dabei oft in den Hintergrund. Bei mir zumindest.
Der Satz „Gib jedem Tag die Chance der Schönste deines Lebens zu werden“ hat für mich vor kurzem eine ganz neue Bedeutung bekommen und ich habe angefangen ihn zu mögen. Es geht dabei nicht um die abenteuerlichsten, größten oder ungewöhnlichsten Erlebnisse, die man an nur einem Tag erleben muss, damit er den Stempel: „Schönster Tag Deines Leben“ erhält. Nein, manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben, die unser Herz hüpfen lassen.
Letzte Woche zum Beispiel war mein schönstes Erlebnis ein einfacher Waldsparziergang. Evan und ich gehen schon seit Jahren in diesem Wald spazieren. Immer und immer wieder den gleichen Weg. Ich vermag nicht mehr zu zählen, wie oft wir “unseren“ Weg schon marschiert sind. Eigentlich nichts Besonderes. Durch einen Zufall habe ich an diesem besagten Tag noch einmal zurückgeschaut. Der Anblick der Bäume, die dunkelroten Blätter und mein kleiner Evan mittendrin, das hat mich sehr berührt und diesen Tag zu einem schönen gemacht.
Manchmal reicht es schon, sich der Tatsache bewusst zu werden, wie schön das Leben ist. Sich auf das zu konzentrieren, was man hat und nicht ständig das zu sehen, was einem fehlt. Das mag an dieser Stelle aufgesetzt poetisch und rosig klingen, aber so ist es nicht gemeint. Ganz und gar nicht. Glauben Sie mir, in letzter Zeit bin ich so wenig rosig wie noch nie in meinem Leben. Aber was ich aus Überzeugung, aus dem tiefsten meines Herzens sagen, ja sogar schreien kann, ist wie schön das Leben ist und wie dankbar ich für mein Leben bin.
Nicht jeder Tag ist ein schöner Tag. Manchmal lässt das Happy End am Ende des Tages auf sich warten. Man sehnt es sich krampfhaft herbei, aber es kommt einfach nicht.
„Ihr Happy End hat heute leider schon Feierabend.
Es tut uns sehr leid. Kommen Sie bitte morgen zwischen 10:30 und 11:00 Uhr wieder. Vielleicht haben Sie dann mehr Glück.“
Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Und wissen Sie was, liebe Philip-Julius Leser? Nicht jeder Tag kann der schönste Tag in unserem Leben sein und das ist auch gar nicht schlimm. Hauptsache wir geben jedem Tag die Chance, ein schöner Tag zu werden.
Herzlichst
Marcella
Die Kolumne „Anders und doch normal“ von Marcella Becker erscheint monatlich und beschäftigt sich mit Themen, die die meisten wenn nicht gar alle Eltern behinderter Kinder kennen.
Marcella wohnt mit ihrem Sohn Evan (5) in der Nähe von Bremen. Evan hat das hypoplastische Linksherzsyndrom (HLHS) und lebt in seiner eigenen, besonderen Welt, denn Evan ist Autist.
Illustration: Eva-Maria Unglaube

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