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Philip Julius

„Erzähl doch mal …. Verena Sophie!“

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„Erzähl doch mal …. Verena Sophie!“

Felix_Erzähl Doch Mal Verena Sophie

Verena Sophies Schwangerschaft mit Felix verläuft unproblematisch. Die Eltern freuen sich auf ihr Wunschkind und den ganzen „Babykram“, der zum Kinderkriegen dazu gehört. Felix kommt  zwei Wochen zu früh auf die Welt, heftige Komplikationen verhindern jedoch eine natürliche Geburt. Die Herztöne fallen plötzlich ab. Das Baby muss per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Es atmet nicht selbstständig. Den Ärzten gelingt es, Felix zu reanimieren, doch durch den Sauerstoffmangel werden einige Organe beschädigt. Über mehrere Wochen ist ungewiss, ob Felix überleben wird. Erst nach drei Monaten dürfen die Eltern mit ihm die Klinik verlassen.
Die Rubrik „Erzähl doch mal…!“ erscheint monatlich auf unserer Homepage und stellt jeweils eine Familie mit einem besonderen Kind vor. Hier werden individuelle Geschichten erzählt und Wünsche und Ziele geteilt, die alle in erster Linie eines tun sollen, nämlich Mut machen.

© Verena Sophie
© Verena Sophie

Wie sieht Deine Familie aus?
Bisher ganz klassisch wie im Kinderspiel: „Vater, Mutter, Kind“: Papa Mark (37), ich (33) und unser kleiner Felix. Er ist gerade zwei geworden. Außerdem sind noch unsere Eltern im Boot und unsere treuen Paten.
Wann und wie hast Du von der Behinderung Deines Kindes erfahren?
Die Schwangerschaft mit Felix verlief ohne Komplikationen. Er wuchs und gedieh und strampelte wild. Als ich zwei Wochen vor dem Termin einen Blasensprung hatte und die Wehen begannen, rechnete ich mit mit einer ganz normalen Geburt: schmerzhaft, Kraft zehrend aber am Ende ein gesundes Kind im Arm.
Doch es kam alles anders: Die Herztöne fielen immer wieder ab und schließlich musste mein Sohn durch einen Notkaiserschnitt geholt werden. Felix, atmete nicht von allein und wurde daher gleich auf die Neointensiv gebracht, wo er reanimiert und intubiert wurde. Ich sah ihn nicht, da ich selbst noch nicht bei Bewusstein war. An meinem Mann wurde er schnell im Brutkasten vorbei geschoben. Uns wurde berichtet, dass er dann gleich nach der Geburt schon erste Krampfanfälle gehabt hatte.
In den ersten Tage nach seiner Geburt schied er nichts aus und lagerte immer mehr Wasser ein. Es war sehr schnell klar: wird er die erste Zeit überhaupt überstehen, dann wird er viele Einschränkungen haben. In den folgenden Monaten standen konzentrierten sich die Ärzte darauf, seine Nieren zu stabilisieren, die durch den Sauerstoffmangel während der Geburt stark beschädigt wurden. Später kamen nach und nach immer neue Baustellen, wie die Cerebralparese und die Epilepsie zum Vorschein, die durch ein Hirnödem ausgelöst wurden.

© Verena Sophie
Felix © Verena Sophie

Inwiefern ist Dein Kind beeinträchtigt und wie gehst Du damit um?
Für uns ist vieles inzwischen normal. Dadurch, dass Felix zur Zeit keine Nasogastral-Sonde mehr hat, fällt vielen Ausstehstehenden, die nicht vom Fach sind, gar nicht auf den ersten Blick auf, dass er Handicaps hat. Wer sich etwas auskennt, der sieht seine Spitzfüße, die Rumpfhypotonie, erkennt die typische Handhaltung und Anspannung von Kindern mit Spastiken.
Er isst auch sehr langsam, verschluckt sich immer wieder und trinkt nur schluckweise angedickte Flüssigkeiten aus einem Spezialbecher.
Seine epileptischen Anfälle sind bisher zum Glück nur ganz klein und kurz.
Inzwischen hat Felix einen Schwerbehindertenausweis (100% AG, B, H) und Pflegestufe drei.
Beim Verarbeiten unserer Situation helfen mir viele Gespräche mit Freunden und ein „besonderer“ Mütter-Treff. Der Austausch mit ihnen und das Gefühl nicht alleine zu sein, das ist Gold wert! Außerdem verarbeite ich viel dadurch, dass ich einen Blog schreibe (www.sophiesanderswelt.wordpress.com). Es ist aber keineswegs ein stetes Voranschreiten im Sinne von „langsam wird alles besser“. Natürlich leben wir uns langsam ein in unserem „Paralleluniversum“. Aber es gibt immer wieder Situationen, in denen tut es weh zu sehen, was wir nie haben oder erleben werden.

© Verena Sophie
Mark, Verena Sophie und Felix © Verena Sophie

Habt Ihr noch weitere Kinder?
Bisher haben wir noch keine weiteren Kinder, wünschen uns aber ein Geschwisterchen für unseren Räuber. Es wäre für uns alle wundervoll, diesen ganz normalen „Babykram“ zu erleben. Erste Worte und erste Schritte, solche besonderen Momente. Es wäre auch beruhigend zu wissen, dass sich noch jemand um unseren Sohnemann kümmern kann, wenn wir älter werden.
Wie sieht Dein Alltag aus?
Gerade ändert sich viel. Der kleine Mann darf nämlich seit seinem zweiten Geburtstag im Oktober 2016 in eine sonderpädagogische Kita gehen. Er wird morgens von den Pflegerinnen abgeholt. Das ist eine große Entlastung, von nun an die Vormittag „frei“ zu haben.
Jetzt mache ich in Ruhe all Briefe für die Versicherung, fordere Rezepte an, mache neue Arzttermine aus und koche vor, denn Felix darf nur Ungesalzenes essen. Gott sei Dank geht es nachts einigermaßen gut, da Felix viele Stunden am Stück schläft, wenn er irgendwann zwischen zehn und elf Uhr endlich in den Schlaf gefunden hat.
Ab nächster Woche werde ich Teilzeit arbeiten. Da bin ich noch gespannt, wie wir das alles gewuppt bekommen.
Was macht Dich im Alltag glücklich? Und welche Momente sind hingegen besonders schwer?
Wenn wir Zeit zu Dritt verbringen, ohne Therapien und Arztbesuche, das ist herrlich. Da die Blutwerte unseres Juniors jetzt schon länger für seine Verhältnisse gut sind, bin ich gerade etwas entspannter. So normale Dinge wie mit Freunden auf ein Straßenfest gehen, das ist sehr schön. Etwas traurig bin ich, wenn ich Kinder in Felix´ Alter sehe, die umher springen, selbst etwas aus der Hand essen und erste kurze Sätze sprechen. Für die anderen Eltern um uns herum sind das Selbstverständlichkeiten, doch uns fehlt das doch sehr. Andereseits bin ich happy, wenn kleine Kinder aus unserer Verwandschaft und dem Freundeskreis lieb zu unserem Goldstück sind, auf ihn zu gehen und versuchen, ihn mit einzubeziehen.

Felix © Verena Sophie
Felix © Verena Sophie

Wer betreut Dein Kind? Wie habt Ihr die Pflege organisiert?
Wir haben uns früh professionelle Hilfe durch einen mobilen Kinderpflegedienst geholt. Die Pflegerinnen helfen uns mit den Medikamenten, geben Spritzen, messen Blutdruck, inhalieren mit Felix und überwachen seine Anfälle. Immer wieder müssen wir darum kämpfen, die Intensivpflegeverordnung behalten zu dürfen. Das heißt, ich muss regelmäßig Arztbriefe anfordern, Verlaufsberichte einreichen und alles zig mal begründen – als ob eine chronische Erkrankung und Behinderung, wie von Zauberhand verschwinden könnte!
Ich wüsste nicht, wie ich ohne die Pflegerinnen den Alltag bewältigen sollte. Mein Mann arbeitet Vollzeit. Er hat als Berufschullehrer aber relativ humane Arbeitszeiten und Ferien und kümmert er sich in der freien Zeit viel um den Kleinen. Unsere Eltern nehmen Felix in der Regel einmal in der Woche oder begleiten ihn zur Therapie oder zu Artzterminen. Wenn ich bald wieder arbeite gehe, werden die Großeltern uns noch häufiger unterstützen (müssen), sonst wird das alles wohl nicht funktionieren.
Was machst Du beruflich? Und wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
In Zukunft bin ich in Teilzeit als Sozialarbeiterin in einem Schulzentrum angestellt und freue mich schon auf diesen abwechslungsreichen, fordernden Job mit den Kids. Davor war ich als Dozentin an einer pädagogischen Hochschule in der Lehre und Forschung tätig. Dort arbeitete ich unregelmäßig auch am Wochenende oder in Kompaktblöcken. Das passte mit den neuen Anforderungen in unserem Privatleben aber nicht mehr so gut überein. Ob das ein Verlust ist oder ein Gewinn, ist eine Frage der Perspektive. Manchmal bin ich auch ganz froh, durch unser privates Chaos so durcheinander gewirbelt worden zu sein. Eine Krise ist ja immer auch eine Chance sich neu zu (er-)finden. Auch als Paar wurden wir noch enger zusammen geschweißt.

Felix © Verena Sophie
Felix © Verena Sophie

Was bedeutet Urlaub für Euch?
Im Urlaub möchten wir einfach einmal abschalten. Keine Regeln, keine Verpflichtungen. So ein bisschen wie bei der „Sail away“-Werbung. Als unser Liebling noch täglich ca. 8-10 Stunden über Nacht an der Bauchfelldialyse angeschlossen war, konnten wir natürlich keine großen Sprünge machen. Wir ließen uns das Gerät mit Zubehör dann in eine Ferienwohnung im Fränkischen liefern. Felix fährt ohnehin nicht besonders gerne Auto und bei größeren Höhenunterschieden spuckt er. Noch immer trauen wir uns höchstens ins deutschsprachige Ausland. Was wäre, wenn die Werte kippten oder er einen schweren Anfall bekäme? Da wollen wir dann zu allen Eventualitäten nicht auch noch eine Sprachbarriere haben.
Wenn Ihr als Familie gemeinsam Urlaub macht, wie plant Ihr?
Generell müssen wir viel einpacken und dafür sorgen, dass wir ausreichend Medikamente und medizisches Zubehör (Spritzen, Blutdruckgerät, Sonde für den Notall etc.) dabei haben. Die Medikamente werden extra in unserer Apotheke in der richtigen Mischung zubereitet. Das braucht Vorlauf.
Mit der Dialyse zu verreisen war das letzte Mal auch sehr kompilziert. Ganze drei Mal mussten Mitarbeiter der Firma bei der Ferienwohnung anrücken. Zum Glück waren unsre Vermieter sehr verständnisvol. Und selbst dann funktionierte das Gerät erst nach einem Reset. Da lagen erst einmal die Nerven blank.

Felix © Verena Sophie
Felix © Verena Sophie

Wo habt Ihr Euren schönsten Urlaub verlebt?
Am liebsten vereisen wir mit dem Wohnmobil meiner Schwiegereltern. Da bekommen wir fast alles unter, auch die nötigen Hilfsmittel wie den sperrigen Rehabuggy. Wir planen dann immer kurzer Etappen, wobei wir je nach Wetter und Gesamtsituation auch mal spontan aufbrechen oder etwas länger bleiben. So flexibel sind wir dann doch noch.
Alle unsere Urlaube waren schön, erholsam und gefühlt viel zu kurz. Gerade der erste zu dritt in der Fränkischen Schweiz wird uns immer in Erinnerung bleiben, weil unser Liebling es da beim Wandern durch Wald und Wiesen  endlich duldete im Wagen liegen zu bleiben, wenn auch in einer lustigen „Schildkröten-Position“ auf dem Bauch.
Welche Wünsche und Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Ich würde gerne einmal wieder in den Norden fahren mit meinen „Jungs“. In Norwegen waren wir bisher nur vor Felix´ Geburt. Vielleicht finden einen netten deutschsprachigen Ferienwohnungsvermieter oder Campingplatzbesitzer? Irgendwann würde ich gerne auch mal nach Marokko oder Thailand reisen. Aber ob es jemals wieder gehen wird, dass wir ganz unbeschwert Fernreisen mache, oder ohne einen endlosen Rattenschwanz an Planung mit unserem selbst umgebauten Bus on Tour gehen, das steht in den Sternen.
Da wir gerade barrierefrei Bauen, ist Reisen auch nicht unsere erste Priorität.
Sie haben Interesse, Ihre Geschichte mit uns zu teilen? Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme unter info@philip-julius.de. 

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